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Gerster, Franz Joseph Ferdinand (1829-1880)

Stadtburger von Laufen. Geboren am 6. Mai 1829 in Laufen, gestorben am 30. Oktober 1880 in Laufen. Konfession: röm.-kath. Sohn des Johann Georg Adam, Wirt zur Geige in Laufen, und der Catherine Clémençon von Courroux. Heirat: 1857 mit Josephine Richard von Bonfol. Vater von acht Kindern, darunter Joseph Gerster-Roth.
G. stammte aus einer alteingesessenen Laufener Familie (Stadtburgerrecht seit 1642), wuchs in seiner Familie französischsprachig auf und besuchte die Schulen in Laufen und das Collège in Delsberg. Im Alter von 17 Jahren beteiligte er sich in führender Rolle an einer separatistischen Aktion, indem er mit zehn weiteren jungen Laufentalern in der Nacht vom 28. auf den 29. November 1846 am Turm der Katharinenkirche in Laufen Protestfahnen befestigte. Die Fahnen waren von seiner Schwester Sophie und deren Magd Anna Maria Fritschy genähnt worden und trugen die Aufschriften «Verfassungsrevision oder Trennung», «Vive Stockmar, père du Jura» und «Gerechtigkeit trauert». Sie sollten zu einer Loslösung des Jura vom Kanton Bern aufrufen. In derselben nächtlichen Aktion wurden Flugblätter mit ähnlichem Wortlaut in der Stadt Laufen angeschlagen. Nachdem der Sakristan die Fahnen am nächsten Tag abgehängt und auf dem Kirchendachboden versorgt hatte, erschienen sie am 1. Dezember wieder auf den Laufener Brunnenstöcken und wurden daraufhin beschlagnahmt. Teil des Protests vom 1. Dezember war gemäss Gerichtsprotokoll auch ein lärmiger Auftritt eines sogenannten «Charivari» oder einer «Katzenmusik» vor dem Rathaus in Laufen, wobei G. als Klarinettist in Erscheinung trat. Verdächtigt und überführt wurden G. und seine Gruppe ausserdem des Angriffs auf zwei Landjäger durch Steinwürfe und der Misshandlung eines Fuhrmanns am selben Tag. Das Laufner «Criminal» vom 1. Juni 1847 verurteilte den geständigen G. wegen «Aufruhr, Misshandlung und Nachtmuthwillen» zu 60 Tagen Gefängnis und einer Busse von 30 Franken. Er hatte ausserdem einen grossen Teil der Verfahrenskosten selbst zu tragen. Von allen Beteiligten war er der Jüngste und wurde am strengsten abgeurteilt. Seine Haftstrafe verbüsste er im Laufner Obertor. Nach seiner Entlassung begann er eine Bäckerlehre in Basel, die er jedoch abbrach. Danach wanderte G. nach Bern, wo er sich für den Söldnerdienst im 4. Schweizerregiment des Königreiches beider Sizilien anwerben liess. Am 25. August 1847 traf er in Neapel ein, wo er in die Regimentsschule eintrat. Als das Obergericht des Kantons Bern in zweiter Instanz am 28. Februar 1848 das Urteil gegen ihn bestätigte, war er also bereits in Süditalien.


Am 15. Mai 1848 beteiligte er sich als Soldat an seiner ersten blutigen Strassenschlacht gegen Aufständische in Neapel. Am 7. September desselben Jahres erkämpfte das 4. Schweizerregiment im Dienst der Monarchie südlich von Messina den Zugang zur Stadt gegen die Revolutionäre. G. wurde daraufhin zum Korporal befördert. Der Kriegszug des Königreichs führte ihn weiter der Küste entlang zur Eroberung von Taormina bis nach Catania. Dort fiel er beim Sturm auf eine Seitenstrasse dem General auf und wurde für seinen Einsatz am 20. Dezember 1849 mit der silberner Tapferkeitsmedaille 3. Klasse ausgezeichnet. Am 16. April 1852 wurde er zum Feldweibel befördert.
Im Sommer 1853 machte G. Urlaub in seiner Heimat. Prompt wurde er von den Behörden aufgefordert, die noch ausstehende Busse von 30 Franken zu bezahlen oder im Gefängnis einzusitzen. Sein Einwand, das Vergehen sei verjährt, wurde vom Appellations- und Kassationshof in Bern abgewiesen. Als die Bestätigung des Urteils am 17. Oktober 1853 erging, befand sich G. jedoch schon wieder in Süditalien.
Er wurde zum Adjutant und Unteroffizier befördert und diente ab 1855 im 4. Schweizerregiment unter Oberst Albert von Wyttenbach. Dort traf er den jurassischen Priester Jean-Pierre Bélet, der – ebenfalls ein früherer Insasse eines Berner Gefängnisses – nun als Feldprediger auch in neapoletanischen Diensten stand.
Im Herbst 1857 kehrte G. nach Laufen zurück und heiratete. 1869 übernahm er mit seiner Frau und mit der Unterstützung ihrer Eltern das Wirtshaus zum «Lamm» in Laufen, dem auch ein Kolonialwarengeschäft und ein kleiner Landwirtschaftsbetrieb angegliedert waren.
Ab 1862 stand G. als Instruktor im Dienst der im Aufbau befindlichen schweizerischen Milizarmee. Er erklomm rasch die militärische Karriereleiter und wurde 1870 zum Major der Infanterie der Schweizer Armee befördert. Die Grenzbesetzung von 1870/71 erlebte er als Hauptmann mit und ab 1872 kommandierte er das Laufner Infanterie-Bataillon 96 – die Beförderungsschreiben erfolgten mit Unterschrift der Behörden des Kantons Bern, der G. seine separatistischen Umtriebe in Jugendjahren offenbar verziehen hatte.
G. war ausserdem von 1857 bis 1863 Gemeindeschreiber und ab 1864 Grundsteuereinnehmer von Laufen, ab 1872 vom gesamten Amtsbezirk Laufen sowie von 1861 bis 1868 Kassier der Burgergemeinde Laufen-Stadt. Als Präsident der neu geschaffenen Einwohnergemeinde Laufen und als Kirchgemeindepräsident war er an wichtigen Reformgeschäften (Güterausscheidungen) beteiligt.
Der Kulturkampf führte für G. zu einem harten Karriereknick. Seine Frau Josephine hatte ihn nach langen Auseinandersetzungen davon überzeugt, entgegen dem mehrheitlichen Trend in Laufen römisch-katholisch zu bleiben. G.s Laufbahn im öffentlichen Dienst und im Militär konnte nach diesem Entscheid nicht mehr fortgesetzt werden und der blühende Gastbetrieb wurde von der Kundschaft jetzt gemieden. Die Familie musste sich vermehrt auf den Landwirtschaftsbetrieb konzentrieren. Erst die Eröffnung der Eisenbahnlinie Delle-Delsberg-Basel 1875 brachte die Gäste zurück und die Industrialisierung im Tal in Gange - das «Lamm» wurde insbesondere bei französisch- und italienischsprachigen Gästen beliebt, weil man dort ihre Sprache sprach.
Ab 1877 litt G. an einer Demenzkrankheit und wurde pflegebedürftig. Er starb drei Jahre später im Alter von 51 Jahren.

Autor*in der ersten Version: Kiki Lutz, 06/12/2011

Letzte Änderung: 26/05/2014

Bibliografie

Biolex Personenlexikon des Kantons Basel-Landschaft, Online-Version (Stand 10.11.2011): http://www.baselland.ch/GERSTER_Joseph-F-htm.293329.0.html
Giuseppe Gerster, Joseph Ferdinand Gerster – ein Burger von Laufen-Stadt im 19. Jahrhundert, Laufen 2012
Nordschweiz, 7. Mai 1990

Zitiervorschlag

Kiki Lutz, «Gerster, Franz Joseph Ferdinand (1829-1880)», Lexikon des Jura / Dictionnaire du Jura (DIJU), https://diju.ch/d/notices/detail/1000173-gerster-franz-joseph-ferdinand-1829-1880, Stand: 20/04/2024.

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