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St. Wendelinskapelle, Kleinblauen

Die St. Wendelinskapelle gehört zum Hofgut Kleinblauen, das auf halber Strecke zwischen Blauen und Nenzlingen liegt. Die beliebte Wallfahrtskapelle in der Kirchgemeinde Blauen ist dem Hauptpatron Wendelin sowie den Heiligen Eligius und Franziskus geweiht.

Hofgut und Kapelle wurden 1666 von Johann Franz von Roggenbach, Landvogt von Zwingen, erbaut. Der Stifter liess sein Familienwappen und das seiner Frau, Maria Jacobea Münch von Rosenberg, am Altar in der Kapelle anbringen. Am 8. August 1666 wurde die Kapelle von seinem Bruder, Bischof Johann Konrad von Roggenbach, geweiht. Dieser vermachte der Kapelle einen schönen Kelch mit Familien- und Bischofswappen, der bis heute erhalten ist. Durch die Errichtung der Kapelle sollte eine damals grassierende Viehseuche abgewandt werden. In der Folge erlangte sie besonders bei Bauern und Landvolk grosse Beliebtheit.

Zwischen dem zweiten Besitzer, Johann Franz Peter Münch von Löwenberg, und dem Blauener Pfarrer Heinrich Stöcklin entbrannte in den Jahren 1711-1714 ein Streit um die Opfergaben. Von Anfang an waren die Pfarrer von Blauen verpflichtet, gegen ein Entgelt einmal monatlich eine Messe in der Kapelle zu lesen. Nun forderte der Gutsbesitzer nebst dem Inhalt des Opferstocks zum Unterhalt der viel besuchten Kapelle auch noch alle Opfergaben, die in Form von Naturalien vor und nach der Messe in die Kapelle getragen wurden. Nach Gewohnheitsrecht standen diese dem Pfarrer bzw. zum Teil den Armen zu. Löwenberg bestand ausserdem auf der Kollatur (Recht, den Kaplan einzusetzen), die er angeblich zusammen mit dem Gut und der Kapelle geerbt hatte. Wie der Streit ausging, ist nicht überliefert und in der Folge kam es immer wieder zu Zwistigkeiten aufgrund fehlender Regelungen. In den 1740er Jahren finanzierte der Sohn und Erbe des streitbaren Besitzers, Johann Beat Anton Münch von Münchenstein genannt von Löwenberg, eine Renovation der Kapelle.

Während der Zeit der Raurachischen Republik und der französischen Herrschaft wurde die Wendelinskapelle (wie alle Kirchen in den betroffenen Gebieten) ihrer Glocken beraubt und blieb lange unbenutzt. 1803 sollte sie im Zuge einer Neuorganisation des Bistums Strassburg (zu dem Blauen vorübergehend gehörte) gar abgeschafft werden. Der Blauener Pfarrer Stefan Andreas Martin richtete daraufhin eine Bittschrift an den Bischof von Strassburg. Der Brief enthielt auch Unterschriften und Siegel der Meyer von Blauen, Zwingen, Nenzlingen, Dittingen, Laufen, Pfeffingen, Reinach, Therwil und Ettingen und ein Begleitschreiben des damaligen Gutsbesitzers, Citoyen Charles Klöckler, Bürgermeister von Altkirch. Die Schrift verwies auf die grosse Beliebtheit und das weite Einzugsgebiet dieser Stätte der Wendelinsverehrung. Sie bewirkte, dass die Kapelle, am 30. August 1803 auf vorläufiger Basis wiedereröffnet werden konnte. 1810 erhielt sie zudem eine neue Glocke, die auf den Namen Wendelin getauft wurde.
 
1867 restaurierte der Maler Johann Amberg aus Dagmersellen die Kapelle, wobei die alten Altarbilder durch neue ersetzt wurden. 1890 brach der Konflikt um Entlohnung des Pfarrers und um die Unterhaltskosten zwischen dem Gutsbesitzer Charles Justin Scholer und dem Pfarrer Alois Vogelweid erneut aus. Unter Mitwirkung der bischöflichen Kanzlei wurde eine umfassende Regelung erarbeitet. Ob sie je Rechtsgültigkeit erlangte, ist nicht bekannt. Als die Kapelle 1898 an Emil Schmidlin verkauft wurde, hielt der Kaufvertrag zumindest fest, dass der Unterhalt der Kapelle vom Gutsbesitzer zu gewähren sei und das Gebäude dem römisch-katholischen Gottesdienst zur Verfügung stehen müsse. 1920 wurde die Kapelle aussen und innen renoviert und in den 1930er Jahren wurden neue Fenster mit Bienenwabenmotiv eingesetzt. 1983/1984 liess der Gutsbesitzer Hanspeter Schmidlin erneut eine umfassende Innenrenovation durchführen mit dem Ziel, den ursprünglichen Zustand soweit wie möglich wieder herzustellen. Dabei kamen verdeckte Grisaille-Malereien aus dem 17. Jh. zum Vorschein. Bischof Anton Hänggi segnete die erneuerte Kapelle am 11. Mai 1985 ein.

Die Wendelinskapelle ist ein einfacher nach Osten ausgerichteter Bau von 10.45 x 4.5 m Grundfläche. Darin steht ein hölzerner Altar im Knorpelstil aus der Gründerzeit. Die drei Altarbilder mit den Heiligen Wendelin, Eligius und Franziskus wurden anlässlich der Renovation von 1867 ersetzt. Zudem gibt es zwei Bilder des Heiligen Franziskus und Nepomuk aus dem 18. Jh. Bemerkenswert sind die zahlreichen volkstümlichen Votivgaben aus Holz in Form von menschlichen Armen und Beinen, Kuh- und Pferdefüssen. Dies und einige Quellen zeigen, dass die Kapelle seit Langem als Wallfahrtsort genutzt und die Heiligen dort nicht nur zum Schutz des Viehs angerufen wurden. Im Sommer wurde jeden Mittwoch die Messe gelesen, Prozessionen aus dem ganzen Laufental und Gläubige aus dem Schwarzbubenland, Birseck und Elsass kamen zum Fest des Heiligen Wendelin am 20. Oktober, an dem Amt und Predigt im Freien abgehalten wurden – die Besucherzahlen betrugen um 1903 nach Angaben des damaligen Pfarrers zwischen 600 und 1000 Personen. Auch zum Markustag (25. April), zum Magdalenentag (22. Juli) und am Mittwoch der Bittwoche fanden Prozessionen und Gottesdienste statt. Bis Mitte des 20. Jhs. nahmen die Prozessionen aus den benachbarten Gemeinden und die Besuche der Einzelpilger ab. In den 1980er Jahren gab es nur noch eine Prozession aus Blauen, während in der Bittwoche und zum Gottesdienst am Sonntag nach dem Wendelinstag weiterhin zahlreiche Gläubige aus den Nachbargemeinden eintrafen.

Autor*in der ersten Version: Kiki Lutz, 22/01/2013

Letzte Änderung: 30/01/2013

Bibliografie

Ernst Baumann, Geschichte der St. Wendelinskapelle Klein-Blauen, Laufen 1945
Bernhard Bucher, «Die Wendelinskapelle auf dem Hof Kleinblauen», in Laufentaler Jahrbuch Nr. 1, 1986, S. 93-99
Andreas Cueni, Giuseppe Gerster, Markus Jermann, René Salathé, «Kultur- und Baudenkmäler im Laufental», in Das Schöne Baselbiet, Heft 15, 1994, S. 15
Leo Jermann, «Das Dorf Blauen (Laufental)», in Jurablätter Jg. 21, 1959, S. 49-77
Roger Jud, Reiseführer Laufental, Promotion Laufental (Hg.), Laufen 2009, S. 23
Paul Lachat, Das Hofgut Kleinblauen und die St. Wendelinskapelle, Laufen 1967
Ursula Vögtlin, »Kapellen im Laufental», in Jurablätter, Jg. 50, 1988, Heft 1, S. 203-221

Zitiervorschlag

Kiki Lutz, «St. Wendelinskapelle, Kleinblauen», Lexikon des Jura / Dictionnaire du Jura (DIJU), https://diju.ch/d/notices/detail/1000557-st-wendelinskapelle-kleinblauen, Stand: 19/04/2024.

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Religion
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