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Uhrenrohwerkfabrik Corgémont (1834)

Zu Beginn der 1830er Jahre beschloss der im Val-de-Ruz (NE) tätige Uhrenrohwerkfabrikant, Charles-Louis Eguet, eine neue Fabrik mit Wasserkraftnutzung und mechanisierter Produktion zu eröffnen. Als Standort wählte er die Gemeinde Corgémont und im Winter 1833 erhielt er von den dortigen Behörden die Baubewilligung. 1834 wurde die Fabrik als erste Uhrenfabrik im Berner Jura errichtet und 1835 verliessen die ersten Rohwerke die Fabrik.
Absatzschwierigkeiten führten schon bald zu finanziellen Problemen, so dass die Familie Eguet die Fabrik 1937 an ihren Hauptgläubiger, die Bank Fornachon, abtreten musste. 1838 kaufte Jacob Robert-Tissots Firma «Robert & Cie» (ehemals «Fabrique d’ébauches de Fontainemelon», 1793 gegründet), mit Sitz in Fontainemelon (NE) die Fabrik. Um die Wasserkraft der Schüss besser zu nutzen und die Produktion zu steigern, kaufte Robert-Tissot 1850 die alte Liegenschaft der Familie Morel namens «Moulin au-delà du Pont» dazu. Er errichtete auf dem Grundstück eine zweite Uhrenfabrik, die «Fabrique du Bas» (Untere Fabrik). Die frühere Fabrik wurde fortan «Fabrique du Haut» (Obere Fabrik) genannt.

Nach dem Tod des Direktors wurde das Unternehmen 1865 umbenannt in «Fabrique d’Horlogerie de Fontainemelon (FHF)». 1875 wurde der frühere Rektor der Uhrmacherschule Neuenburg, Edouard Junod, zum Direktor ernannt. 
Die Uhrenbrachenkrise der 1870er Jahre traf das blühende Unternehmen hart, besonders wegen der rückgängigen Exporte in die USA. Um wieder konkurrenzfähig zu werden, trieb die FHF die Mechanisierung der Werkstätten weiter voran. Die dadurch erreichte Produktionssteigerung drückte jedoch auf die Preise und 1886 befand sich das Unternehmen erneut in der Krise. In dieser Situation entschied sich Charles Junod, der Bruder des Direktors und Leiter der Fabriken in Corgémont, für eine weitere Modernisierung der Infrastruktur: Er ersetzte das Wasserrad durch eine Turbine und baute eine Dampfmaschine ein. 

1890 wurde die «Fabrique du Bas» durch ein Feuer zerstört. Der Neubau wurde gleich mit einem neuen Stahl-Drahtwerk zu Herstellung von Trieben ausgestattet. 1894 erhielt sie zudem eine Turbine mit Dynamo. Die damit erzeugte Elektrizität diente zur Beleuchtung der Werkstätten und zum Antrieb einiger kleiner Motoren. Ab 1895 wurde auch die öffentliche Strassenbeleuchtung des Dorfes durch sie sichergestellt.
1926 gründete die FHF zusammen mit zwei Uhrenrohwerkfabriken aus Grenchen (SO), ETA und AS, die «Ebauches SA». Diese wurde 1985 in «ETA SA Fabriques d’Ebauches» und 2003 in «ETA SA Manufacture Horlogère Suisse» umbenannt. Die Gruppe wurde 1984 Teil der ASUAG (ab 1985 SMH Schweizerische Gesellschaft für Mikroelektronik und Uhrenindustrie AG, ab 1998 Swatch Group).
1968 wurde in Corgémont eine neue Fabrik für Fassondreherei eröffnet. 2001 wurde die Produktionsstätte in Corgémont aufgelöst und die Angestellten auf die anderen Standorte der ETA in Fontainemelon, Grenchen und Moutier verteilt, um am alten Standort stattdessen das Unternehmen «Swiss Timing» einzurichten. Dieses hatte kurz zuvor mit dem Internationalen Olympischen Komitee IOK einen Vertrag über die Zeitmessung und das Informationssystem der Ergebnisse für alle Olympischen und Paralympischen Spiele bis 2010 unterzeichnet. «Swiss Timing» benötigte in der Folge immer mehr Platz und zog deshalb bis 2003/2004 alle übrigen noch in Biel und Saint-Imier (seit 15 Jahren bei Longines) verbliebenen Arbeitsplätze in Corgémont zusammen.


Autor*in der ersten Version: Emma Chatelain, 10/04/2019

Übersetzung: Kiki Lutz, 10/04/2019

Archivbestände

Mémoire d’Ici (Saint-Imier), Dokumentation « Longines, Swiss Timing » (Le Journal du Jura, 17. November 2001)

Bibliografie

Paul Robert, La Fabrique d'horlogerie de Fontainemelon : une usine plus que centenaire : 1793, 1825-1925, Neuchâtel, Impr. Delachaux & Niestlé, 1925
Emile Baechler, La Fabrique d'horlogerie de Fontainemelon S.A., Neuchâtel, P. Attinger, [1961]
Bernard Romy, Le Meunier, l’horloger et l’électricien. Les usiniers de la Suze, 1750-1950, Intervalles, Nr. 69-70, Herbst 2004, S. 99-107
Bernard Romy, La Suze, une rivière au parfum d'énergie ! [Videoaufzeichnung], Les Films de la Côte, 2008
Laurence Germiquet, « Swiss Timing », in Défis : régions, proximités, forum, idées, Moutier, 2008, Nr. 19, S. 32-33

Bildnachweis

 Der Direktor des Firmenstandortes Corgémont mit seiner Familie auf Schiffahrt auf der Schüss.

 Mémoires d'Ici. Gemeindearchiv Corgémont.

Zitiervorschlag

Emma Chatelain, «Uhrenrohwerkfabrik Corgémont (1834)», Lexikon des Jura / Dictionnaire du Jura (DIJU), https://diju.ch/d/notices/detail/7118-uhrenrohwerkfabrik-corgemont-1834, Stand: 25/04/2024.

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