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Absichtserklärung zur Lösung der Jurafrage (20.02.2012)

Am 20. Februar 2012 haben die Regierungen der Republik und des Kantons Jura (vertreten durch Regierungspräsidentin Elisabeth Baume-Schneider) und des Kantons Bern (vertreten durch Regierungspräsident Bernhard Pulver) infolge des abschliessenden Berichts der Interjurassischen Versammlung IJV vom Mai 2009 die «Absichtserklärung zur Durchführung der Volksabstimmungen über die institutionelle Zukunft der interjurassischen Region im Kanton Jura und im Berner Jura» unterzeichnet.
Die Unterzeichnung erfolgte im Rahmen einer Tripartiten-Konferenz unter dem Vorsitz von Bundesrätin Simonetta Sommaruga (Vorsteherin des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements), die die Vereinbarung als «historisch» bezeichnete.
Als Ergebnis bilateraler Verhandlungen legt die Vereinbarung fest, dass im Kanton Jura und im Berner Jura frühestens Ende 2013 zwei gleichzeitige Abstimmungen durchgeführt werden sollen. Zudem werden die Gemeinden in einer zweiten Etappe ihr Recht in Bezug auf ihre Kantonszugehörigkeit geltend machen können. Auf diese Weise wird jede Gemeinde einzeln entscheiden können, ob sie dem Kanton Jura beitreten möchte, selbst wenn die Mehrheit des Berner Juras für den Verbleib im Kanton Bern stimmen sollte. Dies könnte zu jurassischen Exklaven auf Berner Kantonsgebiet führen.

Zwei unterschiedliche, aber koordinierte Verfahren
Im Kanton Jura unterbreitet die Regierung dem Parlament zunächst einen Antrag auf Änderung der Kantonsverfassung (Aufnahme des neuen Artikels 139 mit folgendem Wortlaut: «Le Gouvernement est habilité à engager un processus tendant à la création d'un nouveau canton couvrant les territoires
du Jura bernois et de la République et Canton du Jura, dans le respect du droit fédéral et
des cantons concernés.» – «Die Regierung ist ermächtigt, unter Beachtung des Bundesrechts und der beiden betroffenen Kantone ein Verfahren zur Gründung eines neuen, aus dem Berner Jura und dem Kanton Jura bestehenden Kantons einzuleiten.» [Übersetzung nach www.be.ch]). Sofern das Parlament dieser Änderung zustimmt, wird sie dem Volk unterbreitet (obligatorisches Referendum).

Im Kanton Bern unterbreitet die Regierung dem Grossen Rat einen Änderungsantrag des Gesetzes über das Jura-Sonderstatut, wodurch die Durchführung einer regionalen Konsultativabstimmung über die institutionelle Zukunft der Region bewilligt wird. Sofern der Grosse Rat diese Gesetzesänderung vornimmt und sie nicht durch ein fakultatives Referendum vom Berner Stimmvolk verworfen wird, bringt die Regierung die besagte Vorlage im Berner Jura zur Abstimmung.

Die Kantonsregierungen sind verpflichtet, diese beiden Verfahren koordiniert durchzuführen.

Zwei Szenarien aufgrund unterschiedlicher Abstimmungsergebnisse
Werden beide Abstimmungsvorlagen vom Volk angenommen, arbeiten die beiden Regierungen eine interkantonale Vereinbarung aus, die das weitere Verfahren und die Wahl eines Verfassungsrats vorschreibt. Sie wird in beiden Kantonen dem obligatorischen Referendum unterstellt. Wenn beide Bevölkerungsgruppen die Vereinbarung annehmen, wird ein Verfassungsrat gewählt, der die Verfassung des neuen Kantons erarbeitet. Diese wird dann der Bevölkerung und der Bundesversammlung zur Genehmigung unterbreitet.
Innert zwei Jahren nach den ersten Abstimmungen steht den Gemeinden des Berner Juras das Recht zu, die Durchführung von Abstimmungen auf Gemeindeebene zu verlangen, um einen Verbleib im Kanton Bern anzustreben.

Werden hingegen beide Abstimmungsvorlagen vom Volk abgelehnt, wird das Projekt der Gründung eines neuen Kantons aus dem heutigen Kanton Jura und dem heutigen Berner Jura nicht weiter verfolgt. Für die Gemeinden besteht in diesem Fall jedoch ebenso die Möglichkeit, innert zwei Jahren die Durchführung von Abstimmungen auf Gemeindeebene zu verlangen, mit dem Ziel eines Beitritts zum Kanton Jura.

Der Jurakonflikt im Sinne der Vereinbarung vom 25. März 1994 gilt als gelöst, wenn diese Verfahren abgeschlossen sind. In der Folge wird die Interjurassische Versammlung aufgelöst.


Autor*in der ersten Version: Emma Chatelain, 11/04/2012

Übersetzung: Kiki Lutz, 11/11/2013

Bibliografie

http://www.rts.ch/info/suisse/3798358-deux-votations-populaires-pour-regler-la-question-jurassienne.html (12.03.2012)

http://www.ejpd.admin.ch/content/ejpd/de/home/dokumentation/mi/2012/2012-02-20.html (Medienmitteilung vom 20.2.2012, Stand: 12.03.2012)

http://www.aij.ch/ (12.03.2012)

www.jura.ch/Carrousel/Question-jurassienne (12.03.2012)

www.jura.ch (Medienmitteilung vom 20.02.2012, Stand: 12.03.2012)

www.be.ch (Medienmitteilung vom 20.02.2012, Stand: 12.03.2012)

Zitiervorschlag

Emma Chatelain, «Absichtserklärung zur Lösung der Jurafrage (20.02.2012)», Lexikon des Jura / Dictionnaire du Jura (DIJU), https://diju.ch/d/notices/detail/1000292-absichtserklarung-zur-losung-der-jurafrage-20022012, Stand: 19/04/2024.

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