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Plattenpass (historischer Passübergang)

Befund: Historischer Passübergang
Datierung: Römerzeit bis 19. Jh.
Funde: Spuren sichtbar in situ bis ins 20. Jh.

Über den Plattenpass (eine Einsattelung zwischen Cuenisberg-Eggberg und dem Blauen auf 578 m ü. M.) führte ein historischer Verkehrsweg, der seit der römischen und frühmittelalterlichen Zeit befahren wurde und bis in die Neuzeit eine wichtige Verbindung für den Verkehr aus dem Birstal in Richtung Basel sicherstellte. Als unter Bischof Johann Konrad von Reinach-Hirzbach 1720-1730 die Talstrasse ausgebaut wurde, verlor der Pass für den Handelsverkehr an Bedeutung. Doch erst in den späten Jahren des 19. Jh., kam die Befahrung gänzlich ausser Gebrauch. Nach wie vor wurde der P. von Pilgern aus dem Birstal nach Mariastein begangen und noch heute liegt er an einer beliebten Wanderroute.
Obwohl im 21. Jh. gemäss dem Inventar historischer Verkehrswege der Schweiz keine gesicherten Spuren mehr vorhanden sind, wird angenommen, dass die erste Passstrasse von den Römern gebaut wurde. Laut Zeitzeugen war das vermutlich römische Trassee mit eingetieften Fahrrinnen noch im 20. Jh. streckenweise vorhanden und sichtbar, wie etwa Emil Kräuliger, Leo Jermann und Alban Gerster berichten. Die beiden ersteren führen auch den Namen des Passes auf die zahlreichen Steinplatten und den plattenartigen Fels zurück, welche die Strasse bildeten. Diese historische Substanz wurde 1930/31 bei einer Wegreparatur der Gemeinde Blauen zerkleinert und als Schotter eingesetzt.
Die Passstrasse bog bei Zwingen gegen Norden ab und führte über das heutige Dorf Blauen vorbei an einem römischen Gebäude, das jedoch aufgrund fehlender Kleinfunde nicht genau datierbar ist. Danach führte die Strasse auf 570 m Höhe über 1850m den Südhang entlang bis auf die Passhöhe, wo der gemeinsame Grenzpunkt der Gemeinden Blauen, Nenzlingen, Pfeffingen und Ettingen liegt. Heute noch markiert dort ein Grenzstein die ehemalige Kantonsgrenze BE/BL. Auf der anderen Seite der Passhöhe nahm die Strasse ihren weiteren Verlauf um den Ostabhang des Blauen herum und hinunter in Richtung Ettingen, wo sie in den «Herweg» oder «Herrenweg» auf der Grenze zwischen Pfeffingen und Ettingen mündete. Diese Bezeichnung deutet darauf hin, dass die Passstrasse im Frühmittelalter die Stellung eines wichtigen Fernwegs besass.
Auf der Passhöhe stand ehemals das historische Wirtshaus «Auf der Platten», das von 1678 (erste Erwähnung) bis 1751 (letzter Hinweis) in Betrieb war. Das Wirtshaus gehörte dem Bischof von Basel und bot offenbar eine beliebte Einkehr für Reisende auf der Route Jura-Basel, was etliche Einträge über Abgaben und Korrespondenzen im Archiv des ehemaligen Fürstbistums Basel in Pruntrut belegen (erforscht durch Pierre Gürtler). Um das damals sehr weit abgelegene Wirtshaus ranken sich verschiedene Sagen, denen zufolge es in einem schlechten Ruf als Räubernest und Treffpunkt zwielichtiger Gestalten stand. Die Sagen nehmen z.T. Bezug auf heute noch vorhandene Landmarken, wie z.B. das Plattenkreuz und das Krämerkreuz auf dem Blauen, die an die Ermordung eines durchreisenden Metzgers bzw. Krämers erinnern sollen. Für den Aufenthalt von kriminellen Gästen gibt es auch historische Hinweise: Leo Jermann und Joseph Gerster-Roth berufen sich auf Gerichtsakten, wonach im Jahr 1699 auf Anzeige der Wirtin eine Bande von Falschmünzern/-innen festgenommen, auf Schloss Zwingen eingekerkert und später teils hingerichtet teils zum Galeerendienst verurteilt wurde. Auch führten immer wieder Spuren von Diebstählen in der Umgebung zum Plattenwirtshaus. Viele Autoren erwähnen ausserdem, dass das Plattenwirtshaus 1693 Schauplatz einer «Revolutionsversammlung» gewesen sei, bei der Klagepunkte an den Bischof verfasst wurden. Doch für diese Verortung fehlen die Belege. Die Schliessung und der spätere Abriss der Gebäude erfolgten um die Mitte des 18. Jh. auf bischöfliche Anordnung – ob der schlechte Ruf dabei eine Rolle spielte, ist nicht nachgewiesen. Ebenso unklar bleibt die genaue Lage des Gebäudes, oder ob es sogar zwei davon gab, die nacheinander betrieben wurden (ca. 1678-1700 und 1713-1751, s. Kräuliger). Zuletzt fand Pierre Gürtler 1999 Überreste von gebrannten Bodenplatten und Ziegeln auf der Passhöhe.

Autor*in der ersten Version: Kiki Lutz, 18/06/2012

Letzte Änderung: 10/07/2015

Bibliografie

Basellandschaftliche Zeitung, 7. August 1999, S. 15
Walter Drack und Rudolf Fellmann, Die Schweiz zur Römerzeit. Führer zu den Denkmälern, Zürich 1991, S. 187-188
Werner A. Gallusser und Paul Kläger, Laufener Jura, Basel 1987, S. 26-27
Alban Gerster, «Die Römer in Laufen», in Albin Fringeli (Hg.), Laufen, Laufen erw. Auflage 1986, S. 332-335
Alban Gerster, «Alte Passübergänge über den Blauenpass», in Regio Basiliensis, Jg. 14, 1973, S. 490-499
Joseph Gerster-Roth, «Der Plattenpass» (1922), in Lorenzo Gerster (Hg.), Joseph Gerster-Roth 1860-1937. Das Literarische und Historische Gesamtwerk, Pruntrut 1988, Band V, S. 125-131
Pierre Gürtler, «Blauen: Das Plattenwirtshaus», in Laufentaler Jahrbuch Nr. 6, 1991, S.18-19
Pierre Gürtler, «Das Plattenwirtshaus», in Jurablätter Jg. 59, 1997, S. 100-105
IVS Dokumentation BL 7, Online-Version (Stand: 04.06.2012): http://ivs-gis.admin.ch/#
Leo Jermann, «Das Dorf Blauen (Laufental)», in Jurablätter Jg. 21, 1959, S. 49-77
Leo Jermann, «Aus der Geschichte des Plattenpasses», in Dr Schwarzbueb, Jg. 38 1960, S. 52-59
Emil Kräuliger, «Der Plattenpass», in Der Rauracher, Jg. 16 1944, S. 15-22
Paul Suter und Eduard Strübin (Hg.), Baselbieter Sagen, Liestal 1990, S. 27-28
Dominik Wunderlin, «Baselbieter Sagen. (Altes) Wissen der Leute?», in Mir wei hirne. Bildung und Wissen im Baselbiet, Baselbieter Heimatbuch 28, Liestal 2011, S. 105

Bildnachweis

Der alte Grenzstein auf dem Plattenpass. Foto: Kiki Lutz

Zitiervorschlag

Kiki Lutz, «Plattenpass (historischer Passübergang)», Lexikon des Jura / Dictionnaire du Jura (DIJU), https://diju.ch/d/notices/detail/1000408-plattenpass-historischer-passubergang, Stand: 19/04/2024.

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